Viele Vorteile, aber auch viele Vorurteile – Gedanken zur Künstlichen Intelligenz (KI). Ein Gespräch mit Andreas Spitzer, Softwareentwickler und KI Enthusiast im TRIBARteam. Teil 2.
Herr Spitzer, Sie haben es bereits erwähnt, KI ist ja nicht nur im Alltag auf dem Vormarsch, gerade in der Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gewinnt sie an Bedeutung.
Der Einsatz von Algorithmen, die auf natürlichen Vorbildern und vorhandenen Datenmengen, z.B. Kartenmaterial in Form von gerichteten Graphen mit nach Treibstoffverbrauch, Wegstrecke oder fahrbarer Geschwindigkeit bewerteten Streckenabschnitten arbeiten, ermöglicht eine effizientere und schnellere Problemlösung. Dies gilt sowohl für die Navigation von Fahrzeugen als auch z.B. für die während der COVID-19 Pandemie so bedeutende Sequenzierung von Virenproben zur Erkennung von Ähnlichkeiten und Mutationen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Algorithmen immer im Kontext eingesetzt werden und dass die Ergebnisse niemals optimal, sondern im Sinne des Problems und des Kontextes gut verwertbar sind. Aus Sicht des Menschen ist dieser Kontext meistens ein gesellschaftlicher, kultureller und ethischer, unter dem Blickwinkel von Unternehmen ist es ein ökonomischer, und im Zeichen des Klimawandels ein ökologischer. Um erfolgreich mit KI arbeiten zu können, ist es daher notwendig, die Auswirkungen auf diese Zusammenhänge im Blick zu haben. Es wird z.B. noch sehr lange dauern, bis wir wirklich über autonome Fahrzeuge im Kontext des normalen Straßen- und Lastverkehrs verfügen werden: auch hier gilt der Grundsatz, dass in einem komplexen System wie dem Verkehr mit vielen Teilnehmern und einem sehr kleinen Reaktionszeitfenster die Ergebnisse bisher nicht optimal, sondern nur relativ gut gelöst werden können. Es bleibt offen, ab wann eine Risikoabschätzung zu dem Ergebnis kommt, dass die Vermeidung von Unfällen durch Autonomes Fahren in allen möglichen Situationen hinreichend gut sein wird, um die Anzahl an Unfalltoten signifikant zu verringern. Eine interessante Fragestellung für die Versicherungswirtschaft beispielsweise, die sich mit der finanziellen Absicherung der Folgen autonomen Fahrens im Mischverkehr beschäftigen muss, oder für den Gesetzgeber, der den juristischen Rahmen dafür setzen muss.
Was die technischen Aspekte betrifft, gibt es weitere algorithmische Lösungen: diese arbeiten mit dem musterbasierten Präsentieren von Trainingsdaten. Man gibt diese Muster dem KI-System in Form strukturierter, in Zahlenwerte umgesetzte Datensätze zum Lernen. Mittels eines Trainingsalgorithmus passt das KI-System seine mathematische Formel an, um sich an die mit den Trainingsdaten ebenfalls mitgeteilten Zielwerte anzunähern. Man spricht hierbei von „Überwachtem Lernen“. Hier sind die Zielwerte, also z.B. das gesprochene Wort, im Vorfeld bekannt und Bestandteil des Trainings. Nach diesem sind diese Systeme in der Lage, bei ähnlichen Mustern die gleiche Information zu „erkennen“. Hat man z.B. einen ähnlichen Signalverlauf der Tonaufzeichnung eines gesprochen Wortes, so kann dieses Wort auch bei einer veränderten Tonlage, das heißt unabhängig von einer hellen oder tiefen Stimme gesprochen, erkannt werden. „Unüberwachtes Lernen“ ermöglich dagegen Muster und Strukturen in großen und komplexen Datensätzen zu erkennen, ohne dass die Zielwerte im Vorfeld bekannt sind. Diese Technik kann bei der Verarbeitung von unstrukturierten Daten, wie Texte, Bilder oder Sprachaufzeichnungen, hilfreich sein, da sie es ermöglicht, relevante Informationen aus den Daten zu extrahieren, die für menschliche Analysten möglicherweise schwer zugänglich oder schwer zu erkennen sind. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung von unüberwachtem Lernen kann die Entdeckung von krankheitsbezogenen Mustern in medizinischen Bilddaten sein, die zur Verbesserung der Diagnose von Krankheiten beitragen kann. KI-Systeme können sowohl unüberwachtes als auch überwachtes Lernen kombinieren, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Diese Kombinationen sind insbesondere in Anwendungen von maschinellem Lernen in der Praxis weit verbreitet, wie z.B. im Bereich der Bilderkennung, der Verarbeitung und Erzeugung von natürlicher Sprache und der Robotersteuerung.
Nehmen wir das momentan in aller Munde liegende Werkzeug chatGPT, ein von der journalistischen Fachwelt „eloquent“ bezeichneter Chat Bot, von der ursprünglich gemeinnützigen Initiative OpenAI entwickelt. Der Bot verfügt über ein hohes Sprachverständnis und kann aufgrund seiner großen Trainingsmenge auch in abgeschlossenen Systemen auf einem überschaubaren Wortschatz sehr gut funktionieren. Das aktuelle GPT-3 Modell kann nicht nur Textübersetzungen, sondern auch das Generieren von lauffähigen Codefragmenten in gängigen Programmiersprachen anhand von Stichworten durchführen, was die Arbeit in Bereichen wie Programmierung oder Literatur erheblich verändern wird. Das Sprachmodell hat aber eine größere Entwicklung vom überwachten zum unüberwachten Lernen durchgemacht: Im Vorläufer zum ersten verwendeten Sprachmodell GPT-1 wurde noch eine spezielle Form des überwachten Lernens verwendet, alle Nachfolger verwendeten unüberwachtes Lernen mit immer größeren Trainingsmengen und breiteren Datensätzen.
Bleiben Sie am Ball – Teil 3 folgt in Kürze.
Anregungen und Gedanken zur KI? Dann kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.
Weiterführende Informationen:
(1) DIE IDEE: Podcast des NDR mit Norbert Grundei: #36: Was kann die künstliche Intelligenz, Prof. Peter Kabel? – Link zum Podcast
(2) „This actress does not exist“ – Interaktive Veranstaltung des FFF Bayern im Rahmen des 37. Filmfest München – Link zur Aufzeichnung auf Facebook
(3) „Alita: Battle Angel“ – Spielfilm USA, 2019 von Robert Rodriguez – Link zum Wikipedia-Eintrag
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