KI (Künstliche Intelligenz) – ein Interview – Teil 1

Viele Vorteile, aber auch viele Vorurteile – Gedanken zur Künstlichen Intelligenz (KI). Ein Gespräch mit Andreas Spitzer, Softwareentwickler und KI Enthusiast im TRIBARteam. Teil 1.

 

Herr Spitzer, KI ist Trend. Was vor Jahren noch Science-Fiction war, ist heute im Alltag angekommen. Wo hat sich Künstliche Intelligenz inzwischen durchgesetzt?

 

Ich könnte jetzt viele Beispiele für den Einsatz von KI nennen, möchte aber zunächst einmal mit einem Zitat beginnen, um gleich zu Anfang mit einem Missverständnis aufzuräumen: „Künstliche Intelligenz sind Dinge immer nur solange sie nicht wirklich funktionieren. In dem Moment, in dem sie funktionieren, ist es einfach ein Stück Software, was das tut, was man von ihm erwartet“. (1) Diese spielerische, eigentlich lustige Definition des Design- und Medienwissenschaftlers Prof. Peter Kabel von der HAW Hamburg weist auf ein allgemeines Missverständnis hin: Künstliche Intelligenz muss nicht unbedingt eine Nachbildung menschlicher Intelligenz sein, sondern stellt vielmehr eine Methode zur Problemlösung dar, die sich von den traditionellen Methoden unterscheidet.

 

Der Begriff „Schwarmintelligenz“ z.B. wird oft fälschlicherweise verwendet, um die Arbeitsweise von Algorithmen zu beschreiben, die auf der Imitation von natürlichen Vorgängen basieren, wie zum Beispiel dem Verhalten von Ameisen bei der Futtersuche. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Algorithmen nicht unbedingt „intelligent“ sind, sondern lediglich effektive Lösungen für bestimmte Probleme bereitstellen. Agenten werden wie Ameisen in diesen Algorithmen in alle Richtungen für die Suche nach dem günstigsten, schnellsten und kürzesten Weg in der Navigation eines Fahrzeuges unter dynamischer Berücksichtigung sinnvoller Einschränkungen, wie dem Verkehrsaufkommen, Umleitungen, ja sogar dem Energieverbrauch eingesetzt. Die Ergebnisse werden fortlaufend zusammengesetzt und gesammelt, schon beschrittene Wege bewertet und Agenten danach ausgerichtet. Das innerhalb eines Zeitfensters ermittelte beste Ergebnis wird dann gewählt.

 

Wir verfügen schon über verschiedene Alltagsgegenstände, die „Künstliche Intelligenz“ einsetzen. Ob es die Waschmaschine, die den Verschmutzungsgrad und die Art der Wäsche selbständig ermittelt, der Kühlschrank, der fehlende Lebensmittel automatisch nachbestellt, die Hausbeleuchtung, die nach Tageslicht oder bei Bewegung geschaltet wird, die Steuerung der Heizung in Abhängigkeit von Wetter und Raumtemperaturvorgaben, oder der Rollos im Urlaubsmodus ist, es ist alles am Anfang KI gewesen.

 

Die Vorteile von KI liegen also auf der Hand. Warum haben dennoch viele Menschen Bedenken?

 

Einer meiner Professoren während des Studiums hat Digitalrechner als „Vollidioten mit Spezialbegabung“ bezeichnet. Im Grunde genommen gilt dies auch für den derzeitigen Stand der KI. Ihre Spezialbegabung ist die Imitation. Durch Vorgabe von Handlungselementen, Personen, Umständen und dem Stil eines Autors kann die KI beeindruckende Texte verfassen, sie mit entsprechender Stimme vortragen, damit bewegte Bilder vertonen, die durch die KI erst geschaffen wurde. Dies weckt natürlich Ängste: ähnlich wie in der industriellen Revolution die Maschinen das Handwerk des Menschen bedroht haben, könnte KI in Zukunft Drehbuchautoren, Synchronsprecher, Schauspieler, Stuntpersonal, vielleicht auch Dramaturgen, Kameraleute und Regisseure, Musiker, sowie Komponisten ersetzen oder deren Berufsbilder zumindest entscheidend verändern. Die Quellen von Qualitätsjournalismus auf Wahrheitsgehalt zu überprüfen, die forensische Prüfung von Beweismaterial wird sehr viel schwieriger und aufwändiger werden, wenn Bild- und Tonmaterial manipuliert und bis zur Unbeweisbarkeit zu einer Fälschung verändert werden kann.

 

Es ist richtig, dass KI in der Lage ist, bestimmte Aufgaben, die bisher von Menschen erledigt wurden, zu imitieren und sogar zu verbessern. Dies kann tatsächlich dazu führen, dass bestimmte Berufe in der Zukunft von der Technologie ersetzt werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass KI kein Ersatz für die Kreativität und den künstlerischen Ausdruck des Menschen ist. Auch wenn KI beeindruckende Texte verfassen und Musik komponieren kann, fehlt ihr die Fähigkeit, tiefgründige emotionale Erfahrungen zu verarbeiten und zu kommunizieren, die das Herzstück von Kreativität und Kunst sind. In Bezug auf die Manipulation von Bild- und Tonmaterial ist es wichtig, dass Technologien entwickelt werden, um solche Fälschungen zu erkennen und zu verhindern. Auch hier kann KI eine wichtige Rolle spielen, indem sie als Werkzeug verwendet wird, um die Authentizität von Medieninhalten zu überprüfen. Es ist jedoch wichtig, dass diese Technologien von Experten entwickelt und verwaltet werden, um sicherzustellen, dass sie effektiv und ethisch verantwortungsvoll eingesetzt werden.

 

Im Sommer 2019 nahm ich an einer Veranstaltung im Rahmen des Filmfestes in München in der Black Box zum Thema „This actress does not exist“ teil (2). Autoren, Schauspieler, Regisseure, Vertreter aus Kultur und Literatur, Künstler, Psychologen und Theologen diskutierten anhand des Filmes „Alita: Battle Angel“ über die Zukunft des Schauspiels, die Auswirkung, die eine durch KI geschaffene Kunstfigur auf die gesamte Branche haben würde. Kernpunkt der Diskussion war die Macht des Bildes, aber auch die Möglichkeit zur Identifikation mit den handelnden Personen. Dabei kristallisierte sich für mich eins heraus: es kommt nicht immer darauf an, wie realistisch die Darstellung ist, sondern was sie in uns auslöst. Ich habe Vorstellungen von Disneys „Bambi“ gesehen, bei denen Erwachsene beim Tod von Bambis Mutter geweint haben, obwohl die Figur nur eine flache Strichzeichnung war.

 

KI-generierte Kunstfiguren und -inhalte können zwar beeindruckend sein, aber sie haben ihre Grenzen in Bezug auf Emotionen und die Fähigkeit, Identifikation hervorzurufen. Der kreative Akt des Erzählens und Schaffens von Geschichten ist ein wichtiger Teil der menschlichen Erfahrung und kann nicht vollständig von KI ersetzt werden. Es ist auch wichtig, die Auswirkungen von KI auf die Branche und die Gesellschaft insgesamt sorgfältig zu betrachten und sicherzustellen, dass die Technologie ethisch und verantwortungsvoll eingesetzt wird.


Der kreative Akt besteht nicht darin, ein eloquentes Drehbuch im Erzählstil von „Pixar“ zu imitieren, sondern in der innovativen Grundidee, ausgerechnet eine Ratte in „Ratatouille“ (3) zu einem „Gourmetkoch“ zu stilisieren. KI ist zu so einem kreativ-innovativen Akt derzeit nicht in der Lage, wohl aber die Bewegungseigenarten eines Schauspielers auf das physische Skelett unter den natürlichen Bewegungsablauf eines Tieres zu übertragen und die entsprechende Animation zu produzieren.

 

Es wird damit auch in der Branche Veränderungen geben, die aber ähnlich ablaufen werden wie heute schon bei den gängigen Plattformen für Nicht-Profis auch: die Verwendung von KI-Technologien in der Filmindustrie wird einige Arbeitsbereiche, wie z.B. das Schreiben von Drehbüchern mit bestimmten innovativen Grundideen und Vorgaben revolutionieren, den Autor als Initiator der Grundidee nicht ersetzen. Andere Bereiche, wie z.B. das Schauspiel, könnten jedoch nicht so schnell betroffen sein, da die Identifikation des Publikums mit den handelnden Personen eine wichtige Rolle spielt und dies oft schwer ohne Grundidee einer bestimmten Präsentation durch KI-Systeme zu erreichen ist. Insgesamt ist es jedoch wahrscheinlich, dass KI-Technologien den kreativen Prozess von Filmemachern und darstellenden Künstlern erleichtern und ihnen ermöglichen, schneller und effektiver ihre Ideen umzusetzen. In der Wissenschaft wird das Prüfen auf Plagiate schwieriger werden, aber auch hier kann KI einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Texte anhand ihrer Informationsgehalte zu vergleichen.

 

Bleiben Sie am Ball – Teil 2 und Teil 3 folgen in Kürze.

 

Anregungen und Gedanken zur KI? Dann kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.

 

Weiterführende Informationen:

(1) DIE IDEE: Podcast des NDR mit Norbert Grundei: #36: Was kann die künstliche Intelligenz, Prof. Peter Kabel? – Link zum Podcast

(2) „This actress does not exist“ – Interaktive Veranstaltung des FFF Bayern im Rahmen des 37. Filmfest München – Link zur Aufzeichnung auf Facebook

(3) „Alita: Battle Angel“ – Spielfilm USA, 2019 von Robert Rodriguez –  Link zum Wikipedia-Eintrag

 

Bildcredits: KindelMedia auf pexels.com

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